schillerschule.htm SCHILLERSCHULE

"Dichter auf der Höhe ihrer Zeit"

Lesung in zwei Teilen mit Gedichten und Texten von und über
FRIEDRICH SCHILLER (1759 - 1805)

ausgewählt und vorgelesen von otium, Verein zur Förderung des Müßiggangs


Einige biographische Daten:

Friedrich Schiller wurde am 10. November 1759 in Marbach in Schwaben geboren. 1766 zog die Familie Schiller nach Ludwigsburg um, wo Friedrich 1772 konfirmiert wurde. Im selben Jahr schrieb er die ersten, verlorengegangenen Trauerspielversuche: "Die Christen" und "Absalom". 1773 trat Schiller auf Befehl des Herzogs Karl Eugen in die militärische Karlsschule ein. Zunächst studierte er Jura, später Medizin. Er las die Werke von Shakespeare, Rousseau und Klopstock, obwohl der Besitz von und die Beschäftigung mit schöngeistiger Literatur an der Akademie verboten waren. Im November des Jahres 1780 erschien Schillers Dissertation. Im Dezember erhielt er dafür einen Preis und wurde aus der Karlsschule entlassen. Anschließend wurde er Militärarzt. Schiller war beim Militär unglücklich. Er durfte offiziell nicht schreiben und fühlte sich unfrei. Trotz Verbotes schrieb er weiter und reiste am 13.1.1782 nach Mannheim, um bei der Uraufführung der "Räuber" dabeizusein. Im Juli 1782 wurde er wegen einer zweiten unerlaubten Reise nach Mannheim zu zwei Wochen Haft verurteilt. Im August verbot der Herzog ihm jegliche dichterische Betätigung. Im letzten Quartal des Jahres 1782 floh Schiller mit seinem Freund, dem Musiker Andreas Streicher, über Mannheim und Frankfurt nach Oggersheim. Auf Einladung Henriette von Wolzogens, die seine Gönnerin wurde, ging Schiller nach Bauernbach in Thüringen und fand dort Asyl. Bis 1783 arbeitete Schiller als Bibliothekar in Meiningen. Er verliebte sich unglücklich in die Tochter des Hauses Wolzogen, Charlotte. Im Juli 1783 reiste er wieder nach Mannheim. Dort erkrankte er schwer. 1784 bekam er den Titel eines Rates von Karl August verliehen. Die Bekanntschaft mit Charlotte von Kalb stürzte ihn in neue seelische Konflikte. In den Jahren 1785 bis 1787 lebte Schiller in Leipzig und Dresden. 1787 verliebte er sich in Henriette von Arnim. Bis zum Mai 1788 lebte er in Weimar, im August reiste er dann nach Jena. 1788 begegnete er zum ersten Mal Johann Wolfgang von Goethe. Im Dezember 1788 wurde Friedrich Schiller zum unbesoldeten Professor für Geschichte an die Universität Jena berufen, 1789 zog er dorthin um. Im Januar 1790 bekam Schiller den Titel eines Hofrats verliehen. Im Februar heirateten Charlotte von Lengefeld und er in der Dorfkirche von Wenigenjena. 1791 erkrankte er wieder schwer und fuhr im Sommer zur Kur nach Karlsbad. Im Dezember boten Friedrich Christian von Augustenburg und Graf Ernst von Schimmelmann Schiller eine dreijährige Pension an, die er dankend annahm. Im Oktober 1792 bekam Friedrich Schiller das französische Bürgerrecht durch die Nationalversammlung Frankreichs verliehen. Von August 1793 bis Mai 1794 bereiste er sein Heimatland Schwaben, wo im September 1793 der älteste Sohn von Friedrich und Charlotte, Karl, in Ludwigsburg geboren wurde. Im Mai 1794 traf die Familie Schiller wieder in Jena ein. Später in diesem Jahr vertiefte sich das Verhältnis zu Goethe, Schiller besuchte ihn im September in Weimar. In den Jahren bis 1799 lebte die Familie Schiller in Jena. Friedrich schrieb viel, Balladen und Stücke. Im Dezember 1799 zog die Familie nach Weimar um. 1802 erhielt Schiller einen Adelstitel. Im Frühjahr 1804 reiste er nach Berlin. Am 29.4.1805 erschien Friedrich Schiller anläßlich eines Theaterbesuches zum letzten Mal in der Öffentlichkeit. Er erlitt einen Fieberanfall. Am 9.Mai starb er, in der Nacht vom 11. auf den 12.Mai wurde er auf dem Jakobsfriedhof in Weimar beigesetzt. Am 16.9.1827 wurden seine sterblichen Überreste in die Weimarer Fürstengruft überführt.

DIE BEKANNTESTEN WERKE:

Die Räuber (1781)
Kabale und Liebe (1784)
Fiesco (1784)
Don Carlos (1784)
Wallenstein (1799)
Maria Stuart (1800)
Die Jungfrau von Orleans (1801)
Die Braut von Messina (1803)
Wilhelm Tell (1804)


DIE BEKANNTESTEN GEDICHTE UND BALLADEN:

Die Bürgschaft
Der Taucher
Die Kraniche des Ibykus
Der Handschuh
Der Ring des Polykrates
Der Kampf um den Drachen
An die Freude


Gemeinsam mit Goethe verfaßte Schiller die "Xenien", die 1797 im Musenalmanach erschienen. Er ist Autor zahlreicher Prosaschriften und Gedichte und hat historische und philosophische Abhandlungen geschrieben.


SCHILLERS LIED VON DER GLOCKE

Fassung OTIUM, d.h. weniger lang und neu bedacht
Von Ludwig Sasse

Fest gemauert in der Erde
Steht die Form aus Lehm gebrannt.
Heute soll die Glocke werden,
Frisch, Gesellen, seid zur Hand.
Von der Stirne heiß
Rinnen soll der Schweiß.

Doch festgehalten in der Arbeit
Ist der Mensch bald ausgebrannt.
Heute soll das anders werden,
Kein Geselle sei zur Hand!
Rinnen soll kein Schweiß!
Von der Stirne heiß
Wird der Mensch die Muße loben,
Kommt der Segen auch von oben.

So laßt uns ohne Fleiß betrachten
Was aus der Ruhe selbst entspringt:
Den Fleißigen muß man verachten,
Der nie bedacht, was er vollbringt.
Das ist's ja, was den Menschen zieret,
Und dazu ward ihm der Verstand,
Daß er im innern Herzen spüret,
Warum er schafft mit Kopf und Hand.

Die Kindheit fliehet pfeilgeschwind;
Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe,
Er stürmt ins Leben wild hinaus,
Daß möglichst bald der Streß ihn habe.
Bald gibt er vor den Mädchen an:
"Ich bin im Streß! Ich bin ein Mann!"

Am Anfang ist es stolzes Schaffen,
Der ersten Arbeit goldne Zeit!
Das Auge sieht den Himmel offen,
Es schwelgt das Herz in Seligkeit.
Oh, daß sie ewig grünen bliebe,
Die Arbeitslust als Lebenslüge.

Drum prüfe, wer im Job sich bindet,
Ob Muße sich zu Arbeit findet.
Denn der Arbeit blindes Streben
Endet jedes Lebens Mai,
Mit der Arbeitssucht vor allem
Reißt der schöne Wahn entzwei.

Der Mensch muß heraus
Aus sündigem Streben,
Muß lachen und leben
Nicht pflanzen und schaffen,
Nicht sparen und raffen,
Muß einfach mal wagen,
Die Zeit totzuschlagen.

Dann waltet im Herzen
Die göttliche Muße,
Die Mutter der Muse
Und herrschet weise
In fröhlichem Kreise.

Doch mit des Geschickes Mächten
Ist kein ewger Bund zu flechten,
Und das Unglück schreitet schnell.
Wohltätig ist der Arbeit Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,

Denn was er bildet, was er schafft,
Dankt er ja dieser Himmelskraft;
Doch furchtbar wird die Himmelskraft
Wenn sie der Fessel sich entrafft,
einhertritt auf der eignen Spur
Zu schänden Menschen und Natur.
Wo Arbeitskräfte sinnlos walten,
Muß man statt Menschen Sklaven halten.
Wehe, wenn sie losgelassen,
Wachsend ohne Widerstand
In die Häuser, in die Gassen
Fließt der Schund von fleiß'ger Hand!
Denn die Produzenten hassen
Jeden Kunden mit Verstand.

Durch der Einkaufszentren Zeile
Wächst es fort mit Windeseile.
Drohend quillt aus Konsums Rachen
Neue Arbeit!
Knochen krachen,
Menschen stürzen, Aktien schwirren,
Kinder jammern, Mütter irren,
Tiere wimmern unter Trümmern.
Alles hastet, jobbt und schichtet,
Taghell ist die Nacht gelichtet.
Riesengroß,
Hoffnungslos!
Wachsen wahre Warenberge,
Drunter kriechen Menschenzwerge,
Jeder mehret seine Habe
Bis zum Grabe.
Bis zum Grabe.
Von dem Dome

Schwer und bang
Tönt der Glocke Grabgesang.

Eh' die Glocke Tod verkündet
Laßt die strenge Arbeit ruhn;
Wie im Laub der Vogel spielet
Mag sich jeder gütlich tun.

Jeder ruht in froher Runde,
In der Freiheit heil'gem Schutz,
Müßiggang von Herzensgrunde
Bietet der Verblödung Trutz.

Arbeit ist des Knechtes Zierde,
Muße ist des Edlen Preis.
Der, dem Knechtsein ist Begierde,
Leide stolz an seinem Fleiß!

Jetzo, mit der Kraft der Freude
Lobt das Leben vor der Gruft,
Und der Glocke Mußeläuten
Steige in die Himmelsluft.


EIN GLIED VON SCHILLERS LOCKE
Schüttelreime von Sita Stehen

Und drinnen waltet die putzsüchtige Hausfrau:
Sie füttert im Stalle die hochfrüchtige Haussau,
die Mutter der Vierpfünder,
mit Futter für vier Münder,
und lebet weise
und webet leise
und lehret die Mädchen
und mehret die Lädchen
und strickelt und webet
und wickelt und strebet,
Gewinne zu mehren,
der Minne zu wehren,
und müht sich ohn' Ende, mit Fleiße zu sticken,
die Strümpfe zu stopfen, die Steiße zu flicken,
und füllet mit Schätzen und hehren Laken
die Schreine, die Truhen und leeren Haken
und spinnet zum Faden die schimmernde Wolle
und findet zum Spaten die wimmernde Scholle
und nutzet die Kräfte und ganze Glut
und zeigt sich im festlichen Glanze gut -
trotz scheußlichem Harm -
mit häuslichem Charme!


DAS SCHEITERN EINER BALLADE.
Eine Ballade.
Von Robert Gernhardt

Fürst Friedrich stand im Krönungssaal,
wie leuchtete sein Ohr so fahl!

Und jeder, der es sah, erschrak,
weil in ihm so viel Fahlheit lag.

"Lag?" Sagt man da nicht besser "schwang"?
Fürst Friedrichs Herz schlägt wild und bang.

"Schwabg"? Stimmt es denn, daß Fahlheit schwingt?
Fürst Friedrich sieht sich jäh umringt.

Was macht denn Fahlheit? Schimmert sie?
Fürst Friedrich beugt sein rechtes Knie.

Nein, nein, sie schimmert nicht, sie glänzt!
Fürst Friedrich wird mit Laub bekränzt.

"Glänzt" - ist das schon das rechte Wort?
Laut lärmend zieht die Meute fort.

Halt! Fahlheit glänzt nicht, Fahlheit - na?
Moment - ist denn kein Fürst mehr da?

Wo ist der Fürst, verdammt noch mal?
Verlassen ist der Krönungssaal,

aus dem nun auch noch der Poet -
ein Murmeln auf den Lippen - geht:

"Wie ist denn Fahlheit? Außer fahl?
Na ja. Egal. Ein andermal!"



DIE TEILUNG DER ERDE
Friedrich Schiller

Nehmt hin die Welt! Rief Zeus von seinen Höhen
Den Menschen zu, nehmt, sie soll euer sein.
Euch schenk ich sie zum Erb' und ew'gen Lehen,
Doch teilt euch brüderlich darein.

Da eilt, was Hände hat, sich einzurichten,
Es regte sich geschäftig jung und alt.
Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,
Der Junker birschte durch den Wald.

Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,
Der Abt wählt sich den edeln Firnewein,
Der König sperrt die Brücken und die Straßen,
Und sprach, der Zehente ist mein.

Ganz spät, nachdem die Teilung längst geschehen,
Naht der Poet, er kam aus weiter Fern'.
Ach! Da war überall nichts mehr zu sehen,
Und alles hatte seinen Herrn!

Weh mir! So soll denn ich allein von allen
Vergessen sein, ich, dein getreuster Sohn?
So ließ er laut der Klage Ruf erschallen,
Und warf sich hin vor Jovis Thron.

Wenn du im Land der Träume dich verweilet,
Versetzt der Gott, so hadre nicht mit mir.
Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?
Ich war, sprach der Poet, bei dir.

Mein Auge hing an deinem Angesichte,
An deines Himmels Harmonie mein Ohr,
Verzeih dem Geiste, der von deinem Lichte
Berauscht, das Irdische verlor!

Was tun! Spricht Zeus, die Welt ist weggeben,
Der Herbst, die Jagd, der Markt sind nicht mehr mein.
Willst du in meinem Himmel mit mir leben,
So oft du kommst, er soll dir offen sein.



wissen, sagen
ernst jandl

die musiker mit ihren tönen
wissen was sie sagen
was sie mit ihren tönen sagen
das wissen die musiker
auch die maler mit ihren farben
wissen was sie sagen
was sie mit ihren farben sagen
das wissen die maler
ebenso die bildhauer mit ihren plastiken
wissen was sie sagen
was sie mit ihren plastiken sagen
das wissen die bildhauer
gleichfalls die tänzer mit ihren bewegungen
wissen was sie sagen
was sie mit ihren bewegungen sagen
das wissen die tänzer
schließlich die architekten mit ihren gebäuden
wissen was sie sagen
was sie mit ihren gebäuden sagen
das wissen die architekten
hingegen die poeten mit ihren wörtern
wissen diese was sie sagen
was sie mit ihren wörtern in wahrheit sagen
wissen das jemals die poeten



DIE BÜRGSCHAFT
Ballade (1. und 2. Strophe)
Friedrich Schiller

Zu Dionys dem Tyrannen schlich
Damon, den Dolch im Gewande,
Ihn schlugen die Häscher in Bande.
Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!
Entgegnet ihm finster der Wüterich.
"Die Stadt vom Tyrannen befreien!"
Das sollst du am Kreuze bereuen.

"Ich bin, spricht jener, zu sterben bereit,
Und bitte nicht um mein Leben,
Doch willst du Gnade mir geben,
Ich flehe dich um drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit
Ich lasse den Freund dir als Bürgen,
Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen."



D Brgscgft
Blld

ZDns dm Trnnn schlch
Dmn, dn Dlch m Gwnd,
Hn schlgn d Hschr n Bnd,
Ws wlltst d mt dm Dlch, sprch!
Ntgggnt hm fnstr dr Wtrch.
"D Stdt vm Trnnn bfrn!"
Ds sllst d m Krz brn.



Ie Üa
Aae

U ioy e Yae i
Ao, e O i Eae,
I ue ie Äer i Ae.
A oe u i e Oe i?
Eee i ie e Üei.
"Ie A o Yae eeie!"
A o u a Eue eeue.

"I i, i ee, u ee eei,
U ie i u ei ee,
O i u Ae i ee,
I ee i u ei Ae Ei,
I i ie ee e Ae eei
I ae e eu i a Üe,
I a u ei i eüe."



ernst jandl

...er habe immer etwas zu sagen gehabt, und er
habe immer gewußt, daß man es so und so und so
sagen könne; und so habe er sich nie darum
mühen müssen, etwas zu sagen, wohl aber um die art
und weise dieses sagens. denn in dem, was man
zu sagen hat, gibt es keine alternative; aber für die
art und weise, es zu sagen, gibt es eine unbestimmte
zahl von möglichkeiten. es gibt dichter, die alles
mögliche sagen, und dies immer auf die gleiche
weise. solches zu tun habe ihn nie gereizt; denn
zu sagen gebe es schließlich nur eines; dieses aber
immer wieder, und auf immer neue weise.



SPRUCH DES CONFUCIUS
Friedrich Schiller

Dreifach ist der Schritt der Zeit,
Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,
Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,
Ewig still steht die Vergangenheit.

Keine Ungeduld beflügelt
Ihren Schritt, wenn sie verweilt.
Keine Furcht, kein Zweifeln zügelt
Ihren Lauf, wenn sie enteilt.
Keine Reu, kein Zaubersegen
Kann die stehende bewegen.

Möchtest du beglückt und weise
Endigen des Lebens Reise,
Nimm die Zögernde zum Rat,
Nicht zum Werkzeug diener Tat.
Wähle nicht die Fliehende zum Freund,
Nicht die Bleibende zum Feind.




kein widerspruch
ernst jandl

das leben
wird länger
und länger
nämlich kürzer
und kürzer;
es zieht sich nicht



RESIGNATION (1. - 3. Strophe)
Friedrich Schiller

Auch ich war in Arkadien geboren,
Auch mir hat die Natur
An meiner Wiege Freude zugeschworen,
Auch ich war in Arkadien geboren,
Doch Tränen gab der kurze Lenz mir nur.

Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder,
Mir hat er abgeblüht.
Der stille Gott - o weinet meine Brüder -
Der stille Gott taucht meine Fackel nieder,
Und die Erscheinung flieht.

Da steh' ich schon auf deiner finstern Brücke
Furchtbare Ewigkeit
Empfange meinen Vollmachtbrief zum Glücke!
Ich bring ihn unerbrochen dir zurücke,
Ich weiß nichts von Glückseligkeit.



begebenheit
ernst jandl

fünf
jahrzehnte
gelebt
und nichts
zu berichten

sich verkriechen
bei tisch
wenn ein junger
erzählt
und erzählt



DER TANZ
Friedrich Schiller

Siehe wie schwebenden Schritts im Wellenschwung sich die Paare
Drehen, den Boden berührt kaum der geflügelte Fuß.
Seh' ich flüchtige Schatten, befreit von der Schwere des Leibes?
Schlingen im Mondlicht dort Elfen den luftigen Reihn?
Wie, vom Zephyr gewiegt, der leichte Rauch in die Luft fließt,
Wie sich leise der Kahn schaukelt auf silberner Flut,
Hüpft der gelehrige Fuß auf des Takts melodischer Woge,
Säuselndes Saitengetön hebt den ätherischen Leib.
Jetzt, als wollt es mit Macht durchreißen die Kette des Tanzes
Schwingt sich ein mutiges Paar dort in den dichtesten Reihn.
Schnell vor ihm her entsteht ihm die Bahn, die hinter ihm schwindet.
Wie durch magische Hand öffnet und schließt sich der Weg.
Sieh! Jetzt schwand es dem Blick, in wildem Gewirr durch einander
Stürzt der zierliche Bau dieser beweglichen Welt.
Nein, dort schwebt es frohlockend herauf, der Knoten entwirrt sich.
Nur mit verändertem Reit stellet die Regel sich her.
Ewig zerstört, es erzeugt sich ewig die drehende Schöpfung,
Und ein stilles Gesetz lenkt der Verwandlungen Spiel.
Sprich wie geschieht's, daß rastlos erneut die Bildungen schwanken,
Und die Ruhe besteht in der bewegten Gestalt?
Jeder ein Herrscher, frei, nur dem eigenen Herzen gehorchet,
Und im eilenden Lauf findet die einzige Bahn?
Willst du es wissen? Es ist des Wohllauts mächtige Gottheit,
Die zum geselligen Tanz ordnet den tobenden Sprung,
Die, der Nemesis gleich, an des Rhythmus goldenem Zügel
Lenkt die brausende Lust und die verwilderte zähmt;
Und dir rauschen umsonst die Harmonieen des Weltalls,
Dich ergreift nicht der Strom des erhabnen Gesangs,
Nicht der begeisternde Takt, den alle Wesen dir schlagen,
Nicht der wirbelnde Tanz, der durch den ewigen Raum
Leuchtende Sonnen schwingt in kühn gewordenen Bahnen?
Das du im Spiele doch ehrst, fliehst du im Handeln, das Maß.



tanz
ernst jandl

nördl ich
südl du

östl ich
westl du

südl ich
nördl du

westl ich
östl du



DIE ERWARTUNG (1. - 3. Strophe)
Friedrich Schiller

Hör' ich das Pförtchen nicht gehen?
Hat nicht der Riegel geklirrt?
Nein, es war des Windes Wehen,
Der durch diese Pappeln schwirrt.

O schmücke dich, du grün belaubtes Dach,
Du sollst die Anmutstrahlende empfangen,
Ihr Zweige, baut ein schattendes Gemach,
Mit holder Nacht sie heimlich zu umfangen,
Und all ihr Schmeichellüfte werdet wach
Und scherzt und spielt um ihre Rosenwangen,
Wenn seine schöne Bürde, leicht bewegt,
Der zarte Fuß zum Sitz der Liebe trägt.

Stille, was schlüpft durch die Hecken
Raschelnd mit eilendem Lauf?
Nein, es scheuchte nur der Schrecken
Aus dem Busch den Vogel auf.



warteraum
ernst jandl

kommt sie
sie kommt
sie kommt bald
sie kommt pünktlich
sie kommt bald
kein zeitpunkt
eine zeitspanne
ist vereinbart
als warteraum
zum auf- und abgehen
bis sie kommt



DER TAUCHER
Ballade (1. - 4. Strophe)
Friedrich Schiller

Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp,
Zu tauchen in diesen Schlund?
Einen goldenen Becher werf ich hinab,
Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund.
Wer mir den Becher kann wieder zeigen,
Er mag ihn behalten, er ist sein eigen.

Der König spricht es und wirft von der Höh
Der Klippe, die schroff und steil
Hinaushängt in die unendliche See,
Den Becher in der Charybde Geheul.
Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,
Zu tauchen in diese Tiefe nieder?

Und die Ritter, die Knappen um ihn her,
Vernehmen's und schweigen still,
Sehen hinab in das wilde Meer,
Und keiner den Becher gewinnen will.
Und der König zum drittenmal wieder fraget:
Ist keiner, der sich hinunter waget?

Doch alles noch stumm bleibt wie zuvor,
Und ein Edelknecht, sanft und keck,
Tritt aus der Knappen zagendem Chor,
Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg,
Und alle die Männer umher und Frauen
Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen.



DES MÄDCHENS KLAGE (1. - 2. Strophe)
Friedrich Schiller

Der Eichwald brauset,
Die Wolken ziehn,
Das Mägdlein sitzet
An Ufers Grün,
Es bricht sich die Welle mit Macht, mit Macht,
Und sie seufzt hinaus in die finstre Nacht,
Das Auge von Weinen getrübet.

"Das Herz ist gestorben,
Die Welt ist leer,
Und weiter gibt sie
Dem Wunsche nichts mehr.
Du Heilige rufe dein Kind zurück,
Ich habe genossen das irdische Glück,
Ich habe gelebt und geliebet!"



Ernst Jandl schlägt mehrere Möglichkeiten für das Vorlesen von Gedichten vor. Für diese Strophe von Schiller haben wir zwei davon ausgewählt:

1) nasal-velare Deklamation (Nase-Gaumensegel): Lippen geöffnet, ohne Bewegung; Lippenstellung entspricht etwa dem dunklen a; großer Ausdruck 4) labido-dentale Version: w-Stellung (obere Schneidezähne auf Unterlippe), Luft wird in Stößen, die in Zahl und Länge den Silben entsprechen, ohne Stimmton herausgepreßt (geringer Ausdruck, intimer Charakter)



ernst jandl

flächen überzieht
dinge verhüllt
an kleidern hängt
aus winkeln quillt
regale füllt
im lichte spielt
staub, mein verstreutes ebenbild





beschreibung eines gedichtes
ernst jandl

bei geschlossenen lippen
ohne bewegung in mund und kehle
jedes einatmen und ausatmen
mit dem satz begleiten
langsam und ohne stimme gedacht
ich liebe dich
so daß jedes einziehen der luft durch die nase
sich deckt mit diesem satz
jedes ausstoßen der luft durch die nase
das ruhige sich heben
und senken der brust



mann & frau
in der welt des deutschen

ernst jandl

der blut die blüte
der bruck die brücke
der buhn die bühne
der burd die bürde
der bust die büste
der flot die flotte
der full die fülle
der holl die hölle
der hull die hülle
der hutt die hütte
der kruck die krücke
der kuhl die kühle
der kust die küste
der luck die lücke
der muck die mücke
der muh die mühe
der muhl die mühle
der mutz die mütze
der pfutz die pfütze
der raud die räude
der rug die rüge
der sag die säge
der sund die sünde
der tuck die tücke
der tut die tüte
der wust die wüste



AN DIE FREUDE (1. Strophe und Chor)
Friedrich Schiller

Freude, schöner Gotterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt,
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

Chor
Seid umschlungen Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder - überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen.



Würde der Frauen
Friedrich Schiller

Ehret die Frauen! Sie flechten und weben
Himmlische Rosen ins irdische Leben,
Flechten der Liebe beglückendes Band,
Und, in der Grazie züchtigem Schleier,
Nähren sie wachsam das ewige Feuer
Schöner Gefühle mit heiliger Hand.

Ewig aus der Wahrheit Schranken
Schweift des Mannes wilde Kraft,
Unstät treiben die Gedanken
Auf dem Meer der Leidenschaft.
Gierig greift er in die Ferne,
Nimmer wird sein Herz gestillt,
Rastlos durch entlegne Sterne
Jagt er seines Traumes Bild.

Aber mit zauberisch fesselndem Blicke
Winken die Frauen den Flüchtling zurücke,
Warnend zurück in der Gegenwart Spur.
In der Mutter bescheidener Hütte
Sind sie geblieben mit schamhafter Sitte,
Treue Töchter der frommen Natur.

Feindlich ist des Mannes Streben,
Mit zermalmender Gewalt
Geht der Wilde durch das Leben,
Ohne Rast und Aufenthalt.
Was er schuf, zerstört er wieder,
Nimmer ruht der Wünsche Streit,
Nimmer, wie das Haupt der Hyder,
Ewig fällt und sich erneut.



Das Geheimnis der Reminiszenz
An Laura (1. Strophe)
Friedrich Schiller

Ewig starr an deinem Mund zu hangen,
Wer enthüllt mir dieses Glutverlangen?
Wer die Wollust, deinen Hauch zu trinken,
In dein Wesen, wenn sich Blicke winken,
Sterbend zu versinken?



Das Reich der Schatten
Friedrich Schiller

Ewig klar und spiegelrein und eben
Fließt das zephyrleichte Leben
Im Olymp den Seligen dahin.
Monde wechseln und Gecshlechter fliehen,
Ihrer Götterjugend Rosen blühen
Wandellos im ewigen Ruin.
Zwischen Sinnenglück und Seelenfrieden
Bleibt dem Menschen nur die bange Wahl.
Auf der Stirn des hohen Uraniden
Leuchtet ihr vermählter Strahl.

Führt kein Weg hinauf zu jenen Höhen?
Muss der Blume Schmuck vergehen,
Wenn des Herbstes Gabe schwellen soll?
Wenn sich Lunens Silberhörner füllen,
muss die andre Hälfte Nacht umhüllen,
Wird die Strahlenscheibe niemals voll?
Nein, auch aus der Sinne Schranken führen
Pfade aufwärts zur Unendlichkeit.
Die von ihren Gütern nichts berühren,
Fesselt kein Gesetz der Zeit.



Die Dichterfürsten von Weimar

Goethe sprach zu Schiller:
"Leih´ Er mir seinen Füller"
Schiller sprach zu Goethen:
"Den blauen oder röten?"

Goethe schrieb `nen Riesenknüller
Der Friedrich wartet auf den Füller.
Und der röte Füller saust
Im Nu war fertig Goethes Faust

Schiller sprach zu Goethen:
"Ich bin in argen Nöten."
Goethe sprach zu Schiller:
"Dann wird´s wohl um Dich stiller."

Dem Schiller mit der Hand am Kinn
Kam einfach nichts mehr in den Sinn
Sprach Goethe:
"Ich - ähem - an Ihrer Stell´
würd´ schreiben über Wilhelm Tell."

Schiller, wie befreit von einer Fessel
Sprang aus seinem Ohrensessel
"Ach Herr Goethe, das wird gehen!
Vielen Dank. Auf Wiedersehn."

Und Goethe gab den röten Füller
Zurück dem Dichterfürsten Schiller.



Das verhinderte Werk

Ganz geheim auf leisen Sohlen
Schleicht Herr Goethe ganz verstohlen
Eines nachts in Schillers Kammer
Was er da sieht, das ist der Hammer!

Auf Herrn Schillers Küchentisch
Liegt - die Tinte noch ganz frisch -
Des Dichterfürsten neustes Skript.
Der Goethe liest´s und weil es gut ist kippt

Er ein Fässchen Tinte über die Papiere
Unlesbar war´s nur noch Geschmiere.
Er schleicht sich händereibend aus der Kammer.
Groß war später Schillers Jammer.

Dem Goethe war die Eifersucht gelindert
Weil dem Schiller er ein tolles Drama hatt´ verhindert.



Schillers unglückliche Liebe

Zu Friedrich sagte Johann Wolfgang:
"was birgst Du Dein Gesicht so bang?"
Der Friederich der muss gestehn:
"Beim wunderbaren Gott, das Weib ist schön."
"Man lebt nur einmal in der Welt."
Den Satz notiert sich flugs der Dichterheld.
"Du sprichst ein großes Wort gelassen aus."
Das schreibt der Schiller gleich sich auf.
"Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder,"
seufzt Schiller und sinkt in seinen Sessel nieder.
"Es tut mir lang schon Weh´,
dass ich Dich in der Gesellschaft seh´."
Ach, Wolfgang, "wer ein holdes Weib errungen,
mische seinen Jubel ein."
Goethe schweigt, macht sich die Fingernägel rein.
"Brechen Sie Ihr rätselhaftes Schweigen.
Sie könnten mir nen Ausweg zeigen."
Der Goethe denkt: "im Leben
muss es auch solche Käuze geben."
"Friedrich, tritt vor die Geliebte hin
und sag so was gemäß dem Sinn:
"Mein schönes Fräulein darf ich wagen
Meinen Arm und Geleit ihr anzutragen?"
"Wär der Gedanke nicht so verwünscht gescheit,
man wär versucht, ihn herzlich dumm zu nennen,"
sagt Schiller und beginnt zu rennen
zu der Geliebten Heim und Haus.
Doch was er sieht ist ihm ein Graus:
Vom Mädchen reißt sich stolz ein Knabe
Schiller fühlt sich wie im Grabe.
Sein Herz verkrampft sich bitterlich
Er stammelt nur noch ritterlich:
"Ich sei, gewährt mir diese Bitte,
in Eurem Bund der dritte."



Die Forschung darüber, welche Position Schiller zum Geschlechter-verhältnis und zu Ehe und Partnerschaft eingenommen hat, steckt noch in den Kinderschuhen. Einige Hinweise lassen sich aber direkt aus seinen Werken herauslesen. Wir haben das einmal zusammengetragen und hoffentlich einen kleinen Beitrag zu diesem wichtigen Thema leisten können.

"Der Mann muss raus in die feindliche Welt." "Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau." "Drum prüfe wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herze findet." "Der Wahn ist kurz, die Reue lang!"
"Ach, vielleicht indem wir hoffen, hat uns Unheil schon getroffen" "Horch, der wilde tobt schon an den Mauern."
"Ach! Die Gattin ist´s, die teure." "Meine Minna geht vorüber? Meine Minna kennt mich nicht?"
Dann schreitet er zur Tat.
"Auch das Schöne muss sterben." "Verderben, gehe deinen Gang."
Minna haucht schließlich noch: "Ein Augenblick, gelebt im Paradiese, wird nicht zu teuer mit dem Tod gebüßt."
Drauf Schiller:
"Zwischen Seelenglück und Sinnenfrieden bleibt dem Menschen nur die bange Wahl." "Mein Gehirn treibt öfters wunderbare Blasen auf."
"Hier wendet sich der Geist mit Grauen."